Da freue ich mich schon seit Wochen darauf, mit dem Grasshopper bei HP Velotechnik vorzufahren, und dann schüttet es in Darmstadt in Strömen und gewittert auch noch. Nach langem Ringen habe ich mich entschlossen, den Zug und das Birdy zu nehmen. Nach der Entscheidung war fast schon vorauszusehen, dass es hinter Frankfurt aufklarte – aber auf den Waldwegen wäre das eine üble Schlammschlacht geworden. Und so habe ich schon einen Ausflugstermin für nächstes Jahr.
Zu Beginn begrüßten die beiden Inhaber Daniel Pulvermüller und Paul Hollants die Gäste und stellten das Programm vor. Danach habe ich mir erstmal bei „meinem“ Vertriebsmitarbeiter für den Austausch des Vorbaus bedankt.
Ein zentraler Bestandteil des Tages der offenen Tür war der Testparcours. Wie bei der Spezialradmesse war auch hier der Andrang riesig. Auch der Trend, das Menschen mit Behinderungen nach Mobilitätslösungen suchen war deutlich zu erkennen. Da wurden mit den Liegedreirädern neue Perspektiven eröffnet und diese werden inzwischen rege genutzt. Auch ich bin ein wenig Dreirad gefahren. Nach einer wirklich beeindruckenden Faltvorführung habe ich mir das ungefederte Modell Gekko angeschaut.
Gestärkt mit Crêpe und Kaffee habe ich mich dann der Fuhrung von Paul Hollants angeschlossen. Auch wenn ich etliche Inhalte der Entwicklung von Liegerädern im Allgemeinen und der Firmengeschichte schon kannte, mir hat es viel Spaß gemacht, Paul Hollants zuzuhören. Und die vielen Anekdoten stehen natürlich auf keiner Homepage.
Neben der emotionalen Seite kamen die Inhalte nicht zu kurz. Viele Punkte wie die Saisonabhängigkeit des Fahrradmarktes waren mir eigentlich klar … aber welche Konsequenzen sich daraus ableiten, wurde mir mit dem Vortrag richtig deutlich.
Jetzt aber vor vorne: Kurz gefasst entwickelt HP die Räder in Kriftel und lässt die Rahmen in Taiwan bauen, wo ein großer Teil hochwertiger Rahmen hergestellt und weltweit exportiert wird (z. B. auch Riese & Müller, diverse „Edel-MTBs“). Diese werden dann in Kriftel durch HP geprüft, gerichtet und für die Beschichtung vorbereitet. Anschließend werden die Rahmen entsprechend den Kundenwünschen in Deutschland bzw. Holland beschichtet und anschließend in Kriftel montiert. Damit die Montage erfolgen kann, ist eine ausgeklügelte Lagerhaltung notwendig. So wundet es nicht, dass ein großer Teil der Halle von Lager eingenommen wird. Diese Lagerhaltung ist die Grundlage für das geniale Baukastensystem mit vielen Auswahlmöglichkeiten (je nach Modell gibt es bis zu 500.000 Kombinationsmöglichkeiten pro Rad), die über die Preise auch finanziert werden muss.
Sehr gut gefällt mir der Grundansatz, die 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das ganze Jahr zu beschäftigen und nicht auf Aushilfen zu setzen. Dazu muss das Herbst/Winter-Loch überbrückt werden. Dazu setzt HP auf Export unter anderem in die USA, nach Japan und Australien sowie auf die Verlagerung von Produktionsschrittem in den Winter, soweit das möglich ist. Von den ca. 2000 Rädem pro Jahr werden etwa 25 Prozent exportiert. Darüber hinaus bildet HP intensiv aus und auch die vielen Details zur Verbesserung der Ergonomie zeigen, dass die große Bedeutung der Mitarbeiterinnen fester Teil der Firmenkultur ist.
Die gesamte Werkstatt ist auf den Produktionsablauf ausgerichtet. Wichtig finde ich, dass nach der Vormontage das Prinzip „ein Rad – eine Person“ gilt. Das bedeutet, dass eine Person das gesamte Rad aufbaut und dann eine andere Person die Qualitätssicherung durchführt. Damit ist nach meiner Meinung einerseits eine hohe Qualität aber auch eine hohe Identifikation mit der Arbeit verbunden. Ansonsten ist das eine professionelle Werkstatt und es erinnern nur alte Bilder an den Beginn in einer Garage in Kriftel.
Spannend war das Prüflabor in dem Räder oder Komponenten auf unterschiedliche Dauerbelastungen geprüft werden können. Dass das nötig ist, kann ich mir gut vorstellen.
Ein Highlight der Führung war das Fotolabor. Hier werden die Bilder gemacht, die später freigestellt werden sollen. Vor weißem oder schwarzen Hintergrund und mit besonders guter Beleuchtung werden dort Räder oder Komponenten fotografiert. Durch die andere Kontur unterscheidet sich dabei die Herangehensweise von den Aufnahmen der Zweiräder. Gespannt bin ich, was da so Alles unter Decken stand – da werde ich mich bis zur Eurobike gedulden müssen.
Zum Schluss habe ich noch nachgefragt, welchen Anteil die Zweiräder noch haben. Die Antwort war angesichts der zu sehenden Rahmen nicht überraschend: Der Absatz der Zweiräder geht eher zurück, wird aber durch die Trikes mehr als kompensiert. Da wird noch deutlicher, was für ein Schätzchen ich mit meinem Grasshopper habe.
Der nächste Tag der offenen Tür bei HP Velotechnik findet am Samstag den 25. Juni 2016 statt.
Dass die Entscheidung, mit der Bahn zu fahren, richtig war, zeigte sich etwa fünf Minuten nach meiner Rückkehr … fast eine halbe Stunde lang herrschte Weltuntergangsstimmung mit Gewitter und Hagel.