Offensichtlich gehört Verkehrschaos dazu, wenn ich auf die Eurobike fahre. Da habe ich die Herzallerliebste – auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin – um 5:20 Uhr geweckt und wir haben schnell einen Kaffee getrunken. Dann bin ich durch das noch schlafende Basel zum Zug geradelt … um eine lange Geschichte kurz zu fassen. Der letzte Zug nach Basel am Vortag ist in Basel nicht funktionsfähig angekommen. Da musste dann erst ein Ersatzzug beschafft werden, der dann nur auf einem kleinen Abschnitt fuhr. Statt direkt in zweieinhalb Stunden ans Ziel zu kommen, brauchte ich gute vier Stunden und musste dreimal umsteigen und kein Klo funktionierte. Aber alles hat auch sein gutes: Inzwischen habe ich Übung mein neues Brompton Faltrad zu falten.
Endlich in Friedrichshafen angekommen, konnte ich diesmal direkt zur Messe hinradeln. Dabei ist mir aufgefallen, wie wenig am Bahnhof und in den Straßen zur Messe los war – und ich war immer an den Fachbesuchertagen da Und da herrsche immer Chaos – allerdings war ich diesmal deutlich später.
Dass die Messe dieses Jahr ein Problem hat, zeigte sich aber auch schon in der letzten Woche. Da hat die Messe Friedrichshafen angekündigt, dass die nächste Eurobike zu einem späteren Termin – nämlich vom 31. Juli 2019 bis 3. August 2019 stattfinden soll. Die ersten Tage sind nur für Fachpublikum und am Samstag den 3. August 2019 ist wie 2017 und in den Jahren zuvor auch die Öffentlichkeit zugelassen. Damit liegt der Termin zwar immer noch in der Saison und bildet nicht wie in den Jahren vor 2018 am Saisonende.
In einer Presseerklärung zum Termin 2019 der Eurobike (Messe Friedrichshafen) feiert die Messe den Publikumstag, der 2018 abgeschafft wurde, als große Bereicherung. Ich wollte vom Pressesprecher der Messe, Frank Gauss, wissen, was diesen Meinungsumschwung bewirkt hat. Er teilte mir mit, dass etliche Industriepartner, die die Änderungen in 2018 gewünscht haben, ihre Meinung verändert haben. Ich habe nicht nachgefragt, wie eine solche Meinungsänderung erfolgt, ohne dass das „neue“ Modell 2018 erst einmal getestet wurde. Auf meinen Hinweis, dass der Termin für viele Bundesländer und angrenzende Nationen in den Schulferien liegt, merkte er an, dass das Schulferien-Thema bedacht wurde und es keinen sinnvollen Termin außerhalb der Schulferien gebe und Bayern sowie Baden-Württemberg noch keine Schulferien hätten. Außerdem wollte ich wissen, ob es wieder einen Schwerpunkt Liegeräder geben wird, wie beispielsweise in 2017. Hier teilte er mit, dass die Schwerpunkte noch nicht definiert sind und jetzt mit den Industriepartnern gemeinsam erarbeitet werden. Dabei sei ausschlaggebend, wie stark sich die einzelnen Firmen im Liegeradbereich engagieren bzw. überhaupt wieder auf der Eurobike ausstellen. Er wies in dem Zusammenhang aber noch einmal auf den Publikumstag und die aus Sicht der Messe verbundenen Emotionen hin. Ich bin gespannt.
An einigen Ständen habe ich auch nach dem Messekontakt gefragt. Teilweise wurde dann auf Firmen hingewiesen, die erst gar nicht gekommen sind, und auf gefühlt weniger Interessierte, was auf den Termin 2018 mitten in der Saison zurückgeführt wurde. Ich habe niemanden gefunden, der das Konzept 2018 geht fand – aber ich habe natürlich auch keine repräsentative Umfrage gemacht sondern die für mich interessanten Stände besucht.
Sexistische Werbung habe ich diesmal keine gesehen – zumindest auf der Herrentoilette ging es diesmal sehr bieder zu.
An dieser Stelle ein besonderer Dank an Mirjam Reisch von der Messe Friedrichshafen, die mir auch einen spontanen Telefonkontakt zu Frank Gauss als Pressesprecher hergestellt hat, und Gunnar Fehlau vom pressedienst-fahrrad, die beide gemeinsam die Blogger betreuten. Ich hoffe ich kann nächstes Jahr mehr vom Blogger-Programm nutzen.
Meinen inhaltlichen Start hatte ich am Stand des ADFC. Eigentlich wollte ich nur ein Lebkuchenherz gewinnen bei einer Fahrt auf einer virtuellen „Protected Bikelane“ … dann traf ich den Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork und wir plauschten kurz. Manchmal lässt sich in meinem Bereich berufliches und privates eben doch nicht trennen.
Im Liegeradbereich war außer HP Velotechnik und AZUB kein relevanter Hersteller auf der Messe. Ich habe deshalb einen ausgedehnten Besuch bei HP Velotechnik gemacht, über den ich einen eigenen Beitrag schreibe, und mir dann noch Zubehör angeschaut. Leider hatte ich mal wieder weniger Zeit als notwendig, deshalb nur ein paar – teilweise im Wortsinn – Highlights.
Es gibt die Rainlegs jetzt in einer vollreflektierenden Version. Sozusagen ein leuchtender Lendenschurz. Ich finde die Rainlegs sowieso schon großartig. Beim Aufrechtrad ersetzen sie für kurze Wege auch bei starkem Regen eine Regenhose und auf dem Grasshopper nutze ich sie in Kombination mit Gamaschen für die Schuhe. Das hat den Vorteil, dass ich viel weniger schwitze als in einer „richtigen“ Regenhose. Das hat natürlich Grenzen. Aber gerade an warmen Tagen bin ich lieber vom Regen an den Waden und ggf. von unten nass als in der Regenhose rumzuschicken. Die neue gefütterte Version der Rainlegs werde ich wohl nicht brauchen. Aber bei sehr tiefen Temperaturen kann dass vielleicht auch eine Idee sein.
Das Thema Sichtbarkeit wird auch von Alpina angesprochen. Am Stand wurde unter „Be visable“ eine gelbe Edition unterschiedlicher Modelle vorgestellt. So unnötig ich in der Regel zusätzliche Warnwesten finde, so sinnvoll halte ich es auffällig zu sein.
Mit Sorge sehe ich den Trend zur Miniaturisierung der Beleuchtung. Busch & Müller hat stolz das kleinste zugelassene Rücklicht präsentiert. Auf meine Nachfrage hat eine Mitarbeiterin angedeutet, dass damit ein spezieller Markt bedient werden soll, der Wert auf puristisches auftreten hat. Dies zeigten auch Entwicklungen bei anderen Herstellern. Zum Glück wird aber auch die Entwicklung von großflächigen und leuchtstarken Rücklichtern fortgesetzt. Hier hat Busch & Müller mit dem Bremslicht eine meiner Meinung nach wichtige Pionierarbeit geleistet.
Sehr spannend fand ich auch die eindrückliche Vorführung des Antiblockiersystems, das Bosch für elektrisch unterstützte Fahrräder anbietet. Da zeigt sich, für was sich die vielen Sensoren der Unterstützung noch nutzen lassen.
Bei Roland habe ich mich gefreut, wie schön inzwischen der Carry M geworden ist. Da wurde wirklich über Jahre Produktpflege betrieben. Auch angetrieben durch inzwischen viele innovative Hersteller, die den traditionellen Karren mit Obenkupplung doch deutlich in den Hintergrund gedrängt haben. Auch wenn Roland noch immer die Option bietet, wie im Bild die Deichsel umzustecken und den Wagen dann von Hand zu ziehen.
Bei Vaude habe ich einen Regen-Strampelanzug entdeckt. Leider gab es kein Proberad, auf dem sich das mal ausprobieren ließ. Ich kann mir nicht vorstellen, dass – vor allem beim Liegerad – da immer irgendwo was zieht.
ABUS hat ein neues smartes Bügelschloss vorgestellt. Ich gebe offen zu, ich bin da immer etwas skeptisch. Aber ich muss zugeben, die haben sich eine ganze Menge einfallen lassen. Das wichtigste zuerst: Mechanisch entspricht das Schloss dem Level 15, d.h. dem höchsten Standard. Als Start wird nur ein Bügelschloss angeboten. Wenn es entsprechende Nachfrage gibt, sind weitere Produkte wie das Faltschloss, das es bereits mit Alarmanlage gibt, angedacht. Das Schloss wird über eine App genutzt. Mit dieser wird das Schloss initialisiert und administriert. Es können bis zu acht Mobiltelefone eine Zugangsberechtigung bekommen. Damit kann auf elektronischem Weg die bisherige Option der gleichen Schlüssel erreicht werden. Die Datenübertragung erfolgt mit Bluetooth in einem Abstand von ca. 2 Metern. Das Schloss bekommt das Signal zu öffnen und verschließt automatisch, wenn es das Signal verliert. Fahrräder am Schloss aufhängen wird dann wohl etwas schwieriger. Ist das Schloss verriegelt und wird bewegt, löst es einen Voralarm aus. Erfolgen weiter Bewegungen, folgt der Hauptalarm. Ist der Akku des Schlosses leer, bleibt das Schloss verriegelt und muss erst wieder über eine USB-C-Buchse geladen werden. Allerdings informiert die App über den Ladezustand, so dass dies eigentlich nicht überraschen passieren sollte. Der Akku ist auf eine Lebensdauer von 8 bis 10 Jahren kalkuliert. Es soll ab April 2019 lieferbar sein und rund 200 Euro kosten. Damit ist es noch etwas höherpreisiger als die sonstigen hochwertigen Schlösser. Dies relativiert sich jedoch durch den Aufpreis für die gleiche Schließung bei mehreren Schlössern, was sich bei mir mit mehreren Fahrrädern auch der Herzallerliebsten schon oft bewährt hat. Da ABUS einen Ruf zu verlieren hat ist zu hoffen, dass die Manipulationsmöglichkeiten gering sind – es ist fest davon auszugehen, dass die ersten Modelle auch als Ansporn zum Hacken dienen. Das gilt allerdings auch für das Lockpicking. Keine Verbesserung bringt das Schloss jedoch, wenn wie bei mir geschehen, Nachts mit einem Akku-Trennschleifer versucht wird, das Schloss aufzubrechen. Das macht einen Höllenlärm, der sicher lauter als der Alarm ist. Dann hilft nur Qualität des Materials, damit genug Zeit für die Nachbarn bleibt, die Polizei zu rufen und die Diebe zu verjagen.
Für mehr außerhalb des Berichts über HP hatte ich leider zu wenig Zeit … oder aber es gab im Vergleich zur letzten EUROBIKE nichts wirklich neues, da durch den frühen Termin einfach zu wenig Zeit für die Hersteller blieb… oder aber einfach „nur“ Produktpflege gemacht wird wie bei Rohloff, die eben gerade nicht darauf angewiesen sind, ständig „Neues“ zu haben. Hier wird bewährtes weiterentwickelt und neue Anwendungsfelder erschlossen.