Ur-Streetmachine von HP (Bild: Klaus Dapp)
Wie im letzten Beitrag erläutert, braucht die konkrete Entwicklung neuer Modelle zwei Jahre Vorlauf. Deshalb kann ich hier nur für die nächsten zwei Jahre berichten. Und das ließe sich kurz zusammenfassen: Bis 2018 wird es keine grundlegenden Neuheiten bei den Zweirädern von HP Velotechnik geben.
Natürlich wollte ich von Alexander Kraft wissen, warum das so ist und wie die Liegeradstrategie bei den Einspurern aussieht. HP hat seit etlichen Jahren die Modelle Streetmachine (seit 1993), Speedmachine (seit 1999) und den Grasshopper (seit 2003) im Programm. Die Zielgruppen sind dabei klar definiert:
- die Streetmachine ist das Tourenrad – und dass Touren von etlichen 10.000 Kilometern möglich sind, zeigen etliche Beispiele.
- die Speedmachine ist mit ihrer tieferen Sitzposition das schnellere Sportmodell
- der Grasshopper ist das faltbare und auf Grund seiner kompakten Maße einfach zu transportierende Tourenrad – und auch hier gibt es Tour-Erfahrungen
Die Konzepte dieser Räder sind aus Sicht von HP ausgereift, was sowohl die Berichte von Kundinnen und Kunden als auch aus dem Handel bestätigen.
Alexander Kraft unterstrich, dass Rückmeldungen ausdrücklich erwünscht sind. Neben dem direkten Kontakt bei Messen oder Veranstaltungen wie dem Tag der offenen Tür (z.B. am 25. Juni 2016) besteht die Möglichkeit zu Rückmeldungen über die allgemeine Anschrift.
Die Entwicklung wird bei den Zweirädern wie in den letzten Jahren durch die Komponenten erfolgen und dabei auf Teile beschränkt bleiben, die keine Auswirkungen auf den Rahmen haben. Das bedeutet auch, dass es – jedenfalls auf absehbare Zeit – keine Pinion-Schaltung an den bestehenden Modellen geben wird. Durch die Verlagerung der Schaltung vom Hinterrad an den Ausleger treten andere Belastungen für den Rahmen auf und durch die Gewichtsverlagerung der Schaltung ergibt sich ein leicht verändertes Fahrverhalten. Das würde bedeuten, dass der Ausleger neu konstruiert werden müsste und damit die Auswirkungen für die Gesamtkonstruktion überprüft werden müssten. Außerdem müsste entweder eine Entscheidung gegen die Rohloff-Schaltung als derzeitiger hochwertiger Nabenschaltung getroffen werden oder zusätzlicher Aufwand für die gesamte Logistik getrieben werden.
Wir haben dies am Beispiel der Streetmachine diskutiert. Der Einbau eines Faltgelenks würde die komplette Überarbeitung des Rahmens bedeuten. Da fallen schnell Kosten im fünfstelligen Bereich an, bevor ein einziger Rahmen geschweißt ist. In diesem Beispiel musste deshalb überlegt werden, ob das Falten für die Zielgruppe eine so hohe Bedeutung hat, dass sich die Investition lohnt.
Aus diesen Gründen ist auch ein kein weiterer Einsatz von Carbon außer in Form des Bodylink-Sitzes und des Auslegers vorgesehen. Auch hier rechtfertigt aus Sicht von HP der Zusatznutzen den notwendigen Aufwand nicht. HP steht als Manufaktur dabei im Spannungsfeld zwischen den kleinen Rahmenbauern, die Rahmen nur auf Bestellung und mit entsprechend exklusiven Preisen bauen, und den Fahrradfabriken, die etliche tausend weitgehend gleiche Fahrräder im Jahr herstellen und dadurch auch bei den Zulieferern besondere Konditionen heraushandeln können.
HP versucht mit dem Baukastensystem ein Zwischenweg, der für die jährlich ca. 2.000 Kundinnen (Zwei- und Dreiräder) und Kunden eine Vielzahl von Auswahlmöglichkeiten ermöglicht und gleichzeitig soweit wie möglich in standardisierten und damit kostengünstigeren Prozessen abläuft. Damit unterscheidet sich HP auch von den vielen Individualisten und Enthusiasten, die eigenständige Einzelprojekte entwickeln oder HP Modelle weiterentwickeln. HP unterliegt einerseits der Produkthaftung und andererseits müssen die Produkte auch zu Preisen produziert werden, die von den Kundinnen und Kunden akzeptiert werden. Gleichwohl beobachtet HP die Entwicklungen in der Szene als auch auf der „konventionellen Seite“ genau und prüft, ob spannende Ideen im eigenen Programm aufgegriffen werden können.
Vom Kunden umgebauten Skorpion (Bild: Klaus Dapp)
An dieser Stelle wollte ich natürlich auch wissen, warum HP auf die E-Unterstützung bei seinen Modellen eingestiegen ist. In der Ebene macht sie nach meiner Erfahrung bei Liegezweirädern nur in der Version über 25 km/h einen Sinn. Alexander Kraft berichtete, dass es explizite Anfragen nach E-Unterstützung gab und HP diesen allgemeinen Trend berücksichtigen wollte. HP hat dabei bislang Wert darauf gelegt, auf Systeme zurückzugreifen, die keine Änderungen im Rahmen erfordern. Damit konzentriert sich HP auf Systeme, die mit einem Motor im Hinterrad funktionieren. Um möglichst einheitliche Teile zu verbauen, wird der tropfenförmige Akku des aktuellen GO Swissdrive -Antriebs in allen Modellen verbaut. Das sieht gerade an den Zweirädern für mein Empfinden ziemlich grauselig aus … aber das ist wie so oft Geschmackssache.
Die Verkaufszahlen haben die Entscheidung bestätigt. Mehr als ein Drittel aller Räder werden inzwischen mit E-Unterstützung ausgeliefert, davon mehr als 10 Prozent als schnelles E-Bilkes mit einer Unterstützung bis 45 km/h. Bei den Einspurern ist der Anteil der Räder mit E-Unterstützung erwartungsgemäß sehr viel geringer.
Die schnellen E-Bikes sind dabei kein Marketing-Gag sondern sprechen eine eigene Kundengruppe an. Im Gegensatz zu anderen Fahrradherstellern, die schnelle E-Bikes verkaufen, ist HP noch kein Kraftfahrzeughersteller und hat deshalb keine Serienzulassung für die Kraftfahrzeuge. Das bedeutet, dass jedes einzelne Fahrzeug durch den TÜV abgenommen werden muss. HP erspart sich damit die aufwändige Zertifizierung und die Regelungen, die mit der Anerkennung als Kraftfahrzeughersteller verbunden sind. Ich bin gespannt, ob und wann HP diesen Schritt geht. Ganz entscheidend für die weitere Entwicklung der E-Bikes wird sicher sein, ob die derzeitige 25 km/h-Grenze für die Unterscheidung zwischen Fahrrad und Kraftfahrzeug wie diskutiert auf 30 km/h erhöht wird. Das würde die Attraktivität für die kleine E-Unterstützung deutlich erhöhen.