Atlantik mit Grasshopper bei Les Sables-d’Olonne (Bild: Antje Hammer)
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht. Dabei war Unsere Fahrt doch schön entschleunigend. Es war eine tolle Zeit.
Bevor ich einige Rückblicke mache, hier noch einmal die Etappen:
Strecke
Ich finde es eine tolle Idee, eine solche Fernstrecke zu konzipieren. Wir haben sehr unterschiedliche Landschaften erlebt. Die Streckenführung hat mir insbesondere auf den alten Bahnlinien und entlang von Kanälen sehr gut gefallen. In anderen Abschnitten ist die Strategie, Wege mit schlechtem Belag oder Steigungen in Kauf zu nehmen um dem Autoverkehr auszuweichen teilweise fraglich. Gerade wenn viele Menschen per Rad unterwegs sind und für Reisende mit Anhängern wäre es teilweise besser, vorhandene, wenig vom Autoverkehr befahrene Straßen zu nutzen.
Fahrt auf der ehemaligen Bahntrasse nach Carhaix (Bild: Klaus Dapp)
Die Strecke ist nur zum Teil asphaltiert. Bis Nantes überwiegen geschotterte Wege, die je nach Witterung ziemlich schlammig werden können. Ich habe die Familien mit Kindern bewundert, die auch dort noch begeistert mit Fahrradanhänger, Zelt und Kindern unterwegs waren.
Phantasiereiche Verkehrsführung des Radverkehrs (Bild: Klaus Dapp)
Teilweise gefährlich ist die Gestaltung der Wege. Poller, Drängelgitter, der häufige Wechsel der Straßenseite von Radwegen oder die rechtwinklige Wegführung erfordern nicht nur hohe Aufmerksamkeit sonder zwingen auch zu sehr langsamen Fahren, was mit Gepäck teilweise kaum machbar ist. Die Qualität der Beschilderung schwankt sehr, so dass wir regelmäßig froh waren, dass wir den GPS-Track als Leitschnur hatten.
Reiseführer / Internetangebot
Wir nutzten die Tracks und Beschreibungen von https://www.velodyssey.com und kamen damit gut zurecht. Die kostenlos herunterladbarer Tracks habe ich als Vorbereitung jeweils an die Übernachtungen angepasst. Dabei hat die Velomap wieder gute Dienste geleistet. Weitere Informationen enthält auch das Radreise-Wiki.
Als Reiseführer hatten wir den französischsprachigen Reiseführer La Vélodyssée (Verlag hachette tourisme, ISBN 978-2-01-912491-5) dabei. Dieser enthält sehr kurze Beschreibungen der relevanten Orte, die bei besonderen Sehenswürdigkeiten etwas ausführlicher ausfallen. Leider werden diese nicht entsprechend der Fahrtroute aufgelistet sondern jeweils für einen Abschnitt alphabetisch. Das macht die Nutzung unnötig kompliziert, da jeweils von der Karte zum entsprechenden Ort geblättert werden muss. Bei den Orten werden jeweils einige Übernachtungsmöglichkeiten angegeben. Da hätten wir uns im Vorfeld Aufwand sparen können. Wir haben vor allem auf Basis der Internetrouten gesucht.
Eine detaillierte Wegbeschreibung gibt der Reiseführer nicht, die Abschnitte werden in einigen Sätzen zusammengefasst und Etappen als Kartenauszüge dargestellt. Die für die Etappen angegebenen Streckenlängen stimmen mit unseren Erfahrungen überein. Dagegen haben die Zeitangaben teilweise deutlich von unseren Erfahrungen abgewichen. Sie waren oft zu lang aber teilweise auch zu kurz angegeben. Höhenprofile fehlen, so dass oft auch nicht nachvollziehbar ist, wie die Zeiten zustande kommen. Die Schwierigkeit wird zweistufig angegeben. Bei Passagen mit Autoverkehr wird auch bei sehr geringem Autoverkehr die mittlere Schwierigkeitsstufen angegeben. Wie Steigungen einfließen ist mir bis zum Schluss nicht ganz klar geworden. Die in der Karte durch unterschiedliche Farben bzw. Strichgestaltung dargestellten Beläge stimmen weitgehend mit unseren Erfahrungen überein.
Wetter
Bis auf wenige Stunden hatten wir ideales Radfahrwetter, fast ohne „zu“ heiß / kalt / windig… Das hätte im Juli und August auch anders ausgehen können. Der Blick auf die Wetterkarte zeigte uns regelmäßig Kälte und Regen in Deutschland und Hitze in Südfrankreich. Da hatten wir richtig Glück. Der Wind, von vielen Menschen im Vorfeld thematisiert, war bis auf wenige Ausnahmen kein Problem, dann zeigt sich der Unterschied zwischen Liegerad und „Aufrechtrad“ deutlich. Im Gegensatz zu Antje konnte ich quasi unter dem Wind fahren.
Reisezeit
An so manchem Standabschnitt habe ich unsere Entscheidung, in der Hauptreisezeit zu fahren, bedauert. Es war teilweise viel zu voll und sehr anstrengend zu fahren. Auf der anderer Seite hatten alle Unterkünfte, Museen oder sonstige Sehenswürdigkeiten offen. Gleichzeitig waren die Preise – vor allem für die Unterkünfte – teilweise deutlich höher als in der Nebensaison.
Gepäck und Ausstattung
Regenkleidung im Bahnhof Morlaix (Bild: Antje Hammer)
Wieder einmal hat es sich bewährt, täglich T-Shirt, Unterhose und Socken Abends von Hand zu waschen. Bis zum nächsten Morgen waren die Sachen wieder trocken und konnten angezogen werden. Dank der angenehmen Temperaturen hatte ich auch nur selten etwas anderes an. Bewährt haben sich auch die beiden Waschaktionen an den Ruhetagen.
Zum ersten mal hatte ich neben der Regenhose auch sogenannte Rainlegs dabei. Die wirken wie eine Schürze bis zu den Knien. In Kombination mit Gamaschen sah das zwar sehr kurios aus, war aber weit weniger schweißtreibend als die rundum geschlossene lange Regenhose. Den Regen zwischen Knie und Anfang der Gamasche empfand ich als wesentlich angenehmer als die Schwitzerei in der Regenhose.
Ganz wichtig war der Rollgabelschlüssel („Engländer“). Ohne den hätte ich keine Chance gehabt, nach dem Unfall von Antje im Wald das Kettenblatt von ihrem Rad wieder so gerade zu biegen, dass wir gut weiterfahren konnten. Das bestätigte auch unsere Erfahrungen in den letzten Jahren, bei dem wir damit unter anderem Fahrradabteile an französischen Regionalzügen öffneten oder defekte Wasserhähne reparierten.
Völlig verschätzt hatte ich mich wieder einmal bei den Energieriegeln. Da habe ich fast die Hälfte wieder zurück nach Darmstadt gefahren. Wir bevorzugen doch ein richtiges Essen
Sprache
Ohne Französisch geht es nicht. Für mich war es deshalb sehr angenehm, dass Antje alle Kommunikation erledigt hat. Das war vor allem bei der Bestellung von vegetarischen Berichten nicht immer einfach. Für mich war das ein großer Luxus. Ich hatte quasi eine Reiseleitung und kümmerte mich dann einfach um die Räder und die Strecke. Spannend war die Erfahrung, dass es in der Bretagne (fast rein) englischsprachige Übernachtungsmöglichkeiten gab – ich bin gespannt, wie sich der Brexit auswirken wird.
Reisevorbereitung
Wesentlicher Aufwand für die Reisevorbereitung war die Buchung der Unterkünfte, die Antje wegen der Hauptsaison vorab buchte. Das hat einige Stunden in Anspruch genommen. Rund acht Stunden habe ich gebraucht, um die Tracks runter zu laden und die einzelnen Tagesetappen mit den Anpassungen für die Unterkünfte zu versehen. Beides hat sich gelohnt. Wir sind gut überall angekommen und die Übernachtungen haben auch alle funktioniert. Die Vorbuchung hatte auch den Vorteil, dass wir an den regnerischen Morgen gar nicht lange überlegten, ob wir losfahren wollten.
Kombination Liegerad und Aufrechtrad
Grasshopper und „Aufrechtrad“ im Wind auf der Passage du Gois (Bild: Klaus Dapp)
Bei einer gemeinsamen Fahrt mit Liegerad und Aufrechtrad müssen so einige Dinge beachtet werden, damit es Spaß macht. Beim Nebeneinanderfahren muss die Partnerin bzw. der Partner auf dem „Aufrechtrad“ lernen, dass das Liegerad immer etwas vorausfahren muss, damit beide nebeneinander sitzen – das ist nicht ganz einfach.
Auf Wegen mit viel Fußgängerverkehr sollte das Liegerad möglichst hinten fahren, oft drehen sich Menschen, die noch nie ein Liegerad gesehen haben, einfach um und laufen dann noch einige Schritte, um besser hinterherschauen zu können. Damit laufen sie dem bzw. der Folgenden direkt ins Rad. Das hört sich ziemlich blöd an, aber ich musste auch schon miterleben, dass zwei Radfahrer hinter mir ineinander gefahren und gestürzt sind, da der entgegenkommende Radfahrer nur nach mit geschaut hat und dabei die Spur wechselte.
Auf freier Strecke bietet es sich an, dass das „Aufrechtrad“ hinten fährt, dann sehen wie beim Stufentandem Pinos von Hase Beide die gesamte Landschaft, da vom Aufrechtrad aus gut über das Liegerad hinweggeschaut werden kann.
Und natürlich unterscheiden sich die Räder im Fahrverhalten. Bergab ist das Liegerad bei gleicher Kraftanstrengung schneller … und bergauf ist der Trainingsstand ganz entscheidend. Da kam ich mir am Anfang der Reise machmal wie ein nasser Sack vor… mit den Tagen spürte ich einen deutlichen Trainingseffekt. Bergab wartete ich dann einfach ab und zu.
Gesundheit / Unfall
Ein wenig überschattet wurde die Fahrt durch Antjes Unfall. Dessen echte Folge – ein (an)gebrochenes Handgelenk – erst eine Woche nach unserer Rückkehr diagnostiziert wurde. Da hat ihr Körper eine ganze Menge weggesteckt. Es bleibt zu hoffen, dass das wieder richtig zusammenheilt. Gut war, dass wir gleich eine stabile (und teure) Manschette gekauft haben und Antje die auch getragen hat. Deshalb hat sie auch keinen Gips bekommen sondern die Auflage, die Manschette Tag und Nacht zu tragen.
Wie reagieren wir darauf bei der nächsten Tour? Sicherlich hat das Vorbuchen den Effekt, weiterfahren zu wollen. Allerdings ist es sehr schwer zu unterscheiden, ob ein Handgelenk nur geprellt oder geprellt und gebrochen ist. Die Manschette sollten wir wohl mitnehmen. Auf jeden Fall war ich froh, dass wir Verbandsmaterial, Schmerzmittel und Sälbchen dabei hatten.
Gut war auch die Idee, ein Mittel gegen das Jucken bei Mückenstichen mitzunehmen. Das hat mit dazu beigetragen, dass ich meist gut geschlafen habe.
Von Erkältungen usw. blieben wir erfreulicherweise verschont.
Und zum Schluss
Ich bin ziemlich sicher, dass wir auch im nächsten Jahr eine längere Radtour machen.