Erster Wegweiser des Iron Curtain Trail in Hessen (Bild: Klaus Dapp)
Es war nicht einfach, die Herzallerliebste zu überreden, dann hat sie sich doch erweichen lassen mit mir ein bisschen durch Hessen zu radeln. So sind wir mit dem Zug nach Fulda gefahren. Nachdem wir uns in Fulda mit einem großen Rührei gestärkt hatten, brachen wir auf Richtung Milseburgradweg.
Ein ungewohnter Anblick: Grasshopper in der Fußgängerzone in Fulda (Bild: Klaus Dapp)
Der Weg durch Fulda zeigte schnell, dass wir in einem Mittelgebirge unterwegs sind. Da ich der Herzallerliebsten mein Birdy gegeben habe, habe ich alles Gepäck mitgenommen und kam gut ins Schwitzen. Gleichzeitig war ich begeistert, wie gut ich trotz Gepäck vorankam.
Altes Vorsignal auf dem Milseburg-Radweg (Bild: Klaus Dapp)
Nachdem wir den Milseburgradweg erreicht hatten, ging es erst einmal ein kleines Stück bergab und wir genossen es, entspannt dahinzugleiten mit einem weiten Blick in die Landschaft. Es sollte nicht all zu lange dauern, da begann der Aufstieg – mit der Steigung der ehemaligen Bahnlinie.
Eingangsportal des Milseburg-Tunnels (Bild: Klaus Dapp)
Der Höhepunkt war sicher die Durchquerung des Fahrradtunnels. Der hatte nicht nur den Vorteil, dass er uns eine ziemliche Quälerei zur Überwindung von weiteren Höhenmetern ersparte, sondern auch angenehm kühl war. Danach war es wieder über 30 Grad warm.
Notversorgung für Nicht-Vegetarier in Unterrückersbach in Thüringen (Bild: Klaus Dapp)
Danach fuhren wir entspannt entlang der Ulster bis Geisa in Thüringen und erreichten danach – leider zum Schluss schiebend auf einem Reitweg – die Point Alpha Gedenkstätte bzw. das Haus auf der Grenze. Dort wird sehr anschaulich die ehemalige deutsch-deutsche-Grenze dargestellt. Im Point Alpha wurde die Funktion des ehemaligen Grenzpostens der US Armee erläutert und durch Militärfahrzeuge sowie Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes und des Militärs ausgestellt. Besonders erschreckend war die strategische Darstellung eines Angriffs auf Point Alpha durch die Warschauer Pakt Staaten, der dann unter Einsatz von Atomwaffen in Hessen zurückgeschlagen werden sollte.
Wiederaufgebaute DDR-Grenzanlage vom Überwachungsturm in Point Alpha aus gesehen (Bild: Klaus Dapp)
Die Fahrt zur Unterkunft verlief ziemlich stürmisch. Auf halben Weg kam uns kräftig Gegenwind entgegen, so dass unsere schöne Bergabfahrt ziemlich gebremst wurde. Als dann noch die ersten Regentropfen fielen, traten wir noch einmal kräftig in die Pedale, um nicht ins Gewitter zu kommen. Als wir dann unser Zimmer bezogen hatten, regnete es tatsächlich ein bisschen und es kühlte ein wenig ab, so dass wir nach dem Abendessen gut schlafen konnten.
Das Höhenprofil übertreibt ein wenig… der Milseburgtunnel kappt die Spitze um fast hundert Höhenmeter.
Obwohl ich jetzt alleine unterwegs war, brauchte
ich doch genau so lange wie sonst, um mein Zeug zusammenzutragen. Ein Grund
dafür war, dass ich wegen des Regens viel mehr ausgepackt hatte als sonst und
ich merkte doch, dass die gestrige Fahrt ziemlich viel Kraft gekostet hat.
Dabei hatte ich weniger „Bein“ als befürchtet. Aber insgesamt war ich ziemlich
müde.
Das änderte sich erst durch den Kaffee zum
Frühstück. Als Unterhaltungsprogramm gab es auf der anderen Straßenseite drei
Handwerker (vielleicht waren es aber auch völlige Amateure), die sich eine gute
halbe Stunde damit beschäftigten, einen kleinen Hubsteiger in Stellung zu
bringen, ohne die Straßenbeleuchtung runterzureißen und Fenster einzuschlagen.
Als sie die Position endlich hatten, fuhren sie alles ein, da sie das Werkzeug
nicht im Korb hatten … und dann wurde auch noch ein Parkplatz frei, von dem
aus sich das Ziel viel besser erreichen ließ…
In Karlsruhe besorgte ich mir noch statt des
üblichen Baguettes zwei Laugenstangen und dann ging es los. Bei strahlendem
Sonnenschein fuhr ich dann Richtung Darmstadt. Da ich schon einmal zwischen
Karlsruhe und Darmstadt gefahren bin, kannte ich den Weg aus Karlsruhe heraus
noch gut und fuhr auf asphaltierten Wegen bis zum ehemaligen
Kernforschungszentrum.
Danach ging es auf gut ausgebauten Waldwegen
weiter. Mittagspause machte ich in Altlußheim am Rhein und schaute mit an, wie
dreckig das Rad trotz einiger Fahrtstrecke noch immer war.
An der Gemeindegrenze von Heppenheim erreichte ich
Hessen. Auch wenn die Beine müder wurden, gab mir das noch einmal Schwung. Als
nach 113 gefahrenen Kilometern an der Wendeschleife der Straßenbahn schon die
Bahn in Richtung Darmstadt stand, wurde ich schwach und fuhr bis
Darmstadt-Eberstadt mit. Beim üblichen Andrang an der Haltestelle dort stieg
ich wieder aus und fuhr die letzten sieben Kilometer wieder per Rad. Damit
machte ich die letzten Kilometer auf die 1.300 pannenfreien Kilometer voll –
eine tolle Radtour war zu Ende.
Nach einem letzten gemeinsamen Frühstück brachen
wir gemeinsam auf Richtung Straßburg, von wo die Herzallerliebste den Zug
genommen hat. Kurz unterhalb von Reichstett trennten wir uns. Ich bog ab
Richtung Gambsheim, wo ich den Rhein nach Deutschland überqueren wollte.
Leider bestätigte sich der Wetterbericht und es
nieselte ab und an. Der Weg verlief in weiten Bereichen auf dem Seitenstreifen
stark befahrender Straßen, auf denen auch viele LKW unterwegs waren. Auch wenn
die allermeisten Fahrzeuge genug Abstand hielten, war das nicht besonders
angenehm und ich war froh, als ich Gambsheim trocken erreichte.
Dort wartete leider eine unangenehme Überraschung. Die Schleuse wurde saniert und bei der Gelegenheit eine neue Brücke für den Rad- und Fußverkehr gebaut. Deshalb musste ich das Rad eine provisorische Brücke hoch- und runtertragen. Das war eine ziemliche Plagerei, obwohl ich die Taschen abgemacht habe und unabhängig vom Grasshopper hochgetragen habe. Gleichzeitig begann es richtig zu regnen.
Da es relativ warm war, war das am Anfang nur ein
bisschen lästig. Allerdings verläuft der Rheinradweg bis Karlsruhe zu großen
Teilen auf den Rheindeichen. Der Weg ist überwiegend als wassergebundene Decke
angelegt. Was bei schönem Wetter gut zu fahren ist, entwickelte sich mehr und
mehr zur Schlammschlacht. Ich hatte immer wieder das Gefühl, dass ich
steckenbleibe. Das war sicher übertrieben, aber der Rollwiederstand war schon
ziemlich groß.
Auf der Höhe von Karlsruhe wurde es auf einmal
sonnig und die Wege waren trocken. Es war kaum zu glauben. Dementsprechend
schauten mich die Menschen auch ziemlich irritiert an. Besonders lustig war die
im Bereich des Freibades am Rhein in Karlsruhe. Während ich noch das völlig
verdreckte Regenzeug anhatte, kamen mir Menschen in T-Shirt und kurzen Hosen, im
Badeanzug oder im Bikini entgegen.
Nachdem ich halbwegs getrocknet war, zog mich
dementsprechend um. Dann radelte ich der Alb entlang ins Stadtzentrum von
Karlsruhe. Ich hatte mit Hilfe von Luftbildern, auf denen die Radinfrastruktur
gut zu erkennen war, eine Strecke vorbereitet, die sich als sehr gut erwies. So
kam ich problemlos in mein Hotel. Dort handelte ich einen Platz zum
Unterstellen des Rades aus, stellte es ab und habe dann erst einmal die
Satteltaschen und das Regenzeug geduscht und damit entschlammt. Danach genoss
ich die Dusche. Halbwegs wieder zum Menschen geworden, ging ich Maultaschen
essen.
In der Nacht regnete es dann auch in Karlsruhe, so
dass ich froh war, dass der Grasshopper überdacht stand. So konnte der völlig
durchweichte Sitzbezug wenigstens halbwegs abtrocknen.
Nach einem gemütlichen Frühstück sind wir zum
Schloss in Saverne gefahren. Von dort sind wir auf den Radweg am Rhein-Marne-Kanal
gefahren. Gemütlich rollten wir in Richtung Straßburg. Vom Kanal aus konnten
wir auf die elsässischen Städtchen und Dörfer schauen.
In Eckwersheim schauten wir uns die Gedenkstätte
für das Unglück auf der Probefahrt des TGV am 15. November 2015 an. An diesem
Tag war ein Messzug in der Kurve vor der südlichen Brücke über den
Rhein-Marne-Kanal entgleist. Durch den Unfall starben 11 Menschen, 37 weitere
wurden verletzt, 12 davon schwer. Die Gedenkstätte ist sehr eindrücklich.
Von dort fuhren wir weiter zur letzten gemeinsamen Übernachtung. Die Herzallerliebste hatte eine Übernachtung auf dem umgebauten Frachtschiff Ophrys organisiert. Wir verbrachten den Nachmittag auf dem Schiff und hatten viel Spaß dabei, die Hobbykapitäne zu beobachten, die mit den meist gemieteten Booten vorbeifuhren. Es war wie im schlechten Film. Entweder zeigte der Vater seinem Sohn oder seiner Frau, wie gefahren wird. Da kurz unterhalb von uns eine Schleuse kam, brach dann meist die Panik aus und unter wilden Kommandos wurde versucht, ohne Havarie in die Schleuse zu kommen. Das und die neidischen Blicke auf „unser“ großes Schiff – vom Kanal aus ist nicht zu sehen, dass das Schiff fest mit dem Land verbunden ist – brachten uns regelmäßig zum Lachen. Wir grüßten freudig und genossen den letzten gemeinsamen Tag.
Am Morgen musste ich kurz
einen Büroanruf machen, was die Laune auch der Herzallerliebsten ein wenig
trübte… die Arbeit kommt langsam näher. Nach einem gemütlichen Frühstück
machten wir uns auf den Weg. Wie so oft, konnte ich mit einer kleinen Proberunde
ein wenig Werbung für das Liegerad machen.
Mit der Aussicht auf eine
kurze Etappe fuhren wir eher trödelig weg und kamen schnell an den
Rhein-Marne-Kanal. Bei einem kurzen Fotohalt wunderten wir uns ein wenig über
zwei Montainbiker, die uns entgegenkamen und auf dem Weg rumeierten. Als wir
weiterfuhren merkten wir schnell, warum es die Probleme gab. In der Steigung
hatten sich durch Regenfälle Spurrillen ausgewaschen, die vermutlich in guter
Absicht ein schlauer Mensch mit feinem Splitt gefüllt hatte. Deshalb war es
kaum möglich hochzufahren. Die Herzallerliebste rutschte aus und fiel hin, zum
Glück ohne größeren Schaden zu nehmen. Später entdeckten wir, dass eine Speiche
am Hinterrad nicht mehr im Speichennippel war und sich auch nicht mehr
festziehen ließ. Da das Rad keinen Höhen- oder Seitenschlag hatte, fuhren wir
weiter.
Auf der anderen Seite des
Hügelchens ging es bergab … und da ist mit das Hinterrad des Grasshoppers
weggerutscht und ich saß neben dem Rad auf dem Hintern. Zum Glück hat es nur
die Klingel gekostet und die linke Hand etwas aufgeschürft. Lenker, Bremse und
Sitz sind – soweit sich das unterwegs erkennen lässt – ganz geblieben. Mit
einem etwas schmerzenden Hintern konnte ich dann weiterfahren.
In Arzviller fuhren wir
an der alten Schleusentreppe mit 17 Schleusen entlang ins Tal. Dann schauten
wir uns das Schiffshebewerk an, das die Schleusen seit 1969 ersetzt. Mit einem
Trog auf Schienen, der quer zur Transportrichtung am Hang entlang bewegt wird,
können die Schiffe einen Höhenunterschied von knapp 45 Metern überwinden.
Spannend ist dabei das Energiemanagement des Schrägaufzugs. Der 900 Tonnen
schwere Trog (41,5 m lang, 5,5 m breit mit einer Wassertiefe von 3,2 m) ist mit
Gegengewichten verbunden. Bei der Talfahrt ist der Trog schwerer als die
Gegengewichte und zieht sich dadurch nach unten. Bei der Bergfahrt wird Wasser
aus dem Trog abgelassen, so dass die Gegengewichte den Trog nach oben ziehen.
Als Antrieb reichen zwei Elektromotoren mit 88kW (entsprechen 120 PS) aus.
Während dem Mittagessen schauten wir beim Schiffstransport zu und amüsierten uns über die diversen Hobbykapitäne.
Danach fuhren wir weiter nach Saverne und gönnten uns in der Patisserie Haushalter einen Kaffee mit Leckereien. So gestärkt machten wir uns auf zur Unterkunft, die mal wieder oben lag. Dort nutzte ich die Zeit, um diesen Text zu schreiben, bevor wir uns – zu Fuß – die Innenstadt anschauten.
Dort klärten wir, wo wir am nächsten Morgen unser
Mittag- und Abendessen einkaufen können. Außerdem haben wir eine witzige
Version des Wappentiers von Saverne gekauft: Ein großer Schwimmring mit
Einhorn. Da es das letzte Einhorn im Laden war, mussten wir gemeinsam mit den
beiden Verkäuferinnen die Luft raus lassen und hatten dabei viel Spaß, da sich
das Tier intensiv dagegen wehrte.
Nach diesem lustigen Erlebnis gingen wir in ein
bretonisches Restaurant und aßen Crêpes und tranken elsässischen Cidre, damit
wir wenigstens einmal zu Crêpes kamen. Auf dem Heimweg besorgten wir uns noch
eine Flasche elsässischen Rose und ließen den Abend gemütlich in unserer
Unterkunft ausklingen – ein bisschen traurig, weil das Ende der Fahrt so nah
ist.
Nach dem Frühstück stürzten
wir uns in die Tiefe und erreichten schnell das Ufer der Meurthe. Diese fuhren
wir entlang und wechselten nach einiger Zeit an den Rhein-Marne-Kanal. So kamen
wir auf selbstständigen Radwegen an den Ortsrand von Nancy. Dort wollten wir in
einem französischen Supermarkt einkaufen, der leider wegen Inventur geschlossen
hatte. So landeten wir bei einer deutschen Supermarktkette. Das Brot schien uns
zu sehr „aus der Tüte zu kommen“, so dass wir uns entschieden, auf einen Bäcker
auf dem weiteren Weg zu warten.
So verließen wir Nancy und waren guter Stimmung, dass wir jetzt „Strecke machen“. Leider spielte der Weg nicht mit. Kurz nach der Einmündung des Verbindungskanals zur Mosel standen wir vor der Wahl, ob wir auf einer vielbefahrenen Straße (D2) fahren oder auf dem ehemaligen Treidelpfad am Kanal bleiben sollten. Der Track des Paneuroparadwegs zeigte die Straße an, Open Streetmap zeigte den Radweg 52 entlang des Kanals an. Wir entschieden uns für den Weg am Kanal. Der wurde leider nach kurzer Zeit immer schlechter. Als uns zwei Montainbiker entgegenkamen war die Lage klar – der Weg ging weiter und das als Montainbiker-Strecke. Wir kämpften uns weiter vor und kamen dadurch zu der Erfahrung auf einer Kanalbrücke die Meurthe zu queren. Nach einiger Zeit erreichen wie wieder die D2 / D400. Dort fuhren wir weiter und waren froh, dass wir nach rund 10 Kilometern in Dombasle-sur-Meurthe auf ruhigere Straßen kamen.
Danach kamen wir zügig voran. Noch größer war die Freude als ab Maixe der Weg als selbstständiger Radweg am Kanal entlang autofrei verlief.
Der Weg wechselte dann teilweise auf vergleichsweise wenig befahrene Straßen und wieder zurück an den Kanal. Die Strecken am Kanal waren sehr angenehm, da es durch die Bäume – oft alte Alleen – schön schattig war und kaum stieg. Die Fahrt am Kanal war auch deshalb so interessant, da sie in der Regel einen guten Blick über das angrenzende Tal ermöglichte, da der Kanal im Hang verlief. Die Landschaft ist teilweise sehr abwechslungsreich und teilweise stark von der industriellen Landwirtschaft geprägt und recht monoton. Die Straßenabschnitte waren meist ziemlich anstrengend, da dort keine schattenspendenden Bäume wuchsen und die Steigungen manchmal doch kräftig waren.
Die Gegend wird insgesamt
recht einsam und uns gelang es bis zum Abend nicht mehr, ein Brot einzukaufen.
Die wenigen Bäckereien, die wir gefunden haben, hatten montags zu. So gab es
zum Mittagessen den Käse ohne Brot … verhungert sind wir nicht.
Die Steigungen an den
Straßen sind besonders auf einem rund sechs Kilometer langen Abschnitt zwischen
Lagarde und Mossey aufgefallen. Die wenig befahrene D89 verläuft hier völlig
gerade durch den Wald. Vermutlich aus Brandschutzgründen ist die Schneise für
die Straße dort sehr breit angelegt, so dass der Wald keinen Schatten oder
Kühle spendet. Stattdessen lassen sich jeweils die nächsten Hügel sehen. Ich
habe die „Schwung-Taktik“ gewählt und immer bergab kräftig getreten, damit ich
möglichst weit auf den nächsten Hügel komme. Die Herzallerliebste hat bergab nicht
die Vorteile des Liegerads und war durch den aufkommenden Gegenwind zusätzlich
gefordert.
Wir freuten uns deshalb
besonders über den Abschnitt am Kanal nach Gondrexange, auch wenn er bald
wieder in kleine Sträßchen überging, auf denen wir Xouaxange erreichten. Dort
wurden wir von der Vermieterin der Zimmer mit einem kalten Bier begrüßt –
einfach herrlich. Außerdem fragte sie uns, ob wir denn Abendessen wollten. Wir
sagten sofort zu und sie fand sogar ein Essen, dass auch für mich als
Vegetarier geeignet war.
Nach der Dusche und einer
kurzen Pause wurden wir zum Essen gerufen. Es war ein toller Abend und wir
hatten viel Spaß am gemeinsamen mehrstündigen Abendessen mit unseren Gastgebern
und den anderen Gästen. Die Themen waren vielfältig und ich glaube alle haben
etwas mitgenommen. Von der Geschichte des Moselgebietes und des Elsass bis zu
Fahrradfahren im allgemeinen und speziellen. Der Gastgeber war ziemlich
beeindruckt, was die Herzallerliebste alles über die Geschichte seit 1870 des
Gebietes wusste, was wirklich ziemlich speziell ist – bis hin zum
„Schafssprung“ der Züge, die im Elsass wie in Deutschland rechts fahren und im
restlichen Frankreich links. Es wurde ziemlich spät… und es wurde wieder
einmal deutlich, dass kleine Übernachtungsmöglichkeiten viel spannender sind
als anonyme Hotelketten. Statt hungrig im Bett zu liegen, kämpften wir eher
damit, etwas überfressen zu sein. Soviel zum Thema wie asketisch unser
diesjähriger Radurlaub verläuft.
In Nancy haben wir einen
Ruhetag eingeplant, um uns ein bisschen die Stadt anschauen zu können. Nach
einem ausgiebigen Frühstück liefen wir in die Stadt, da der Bus sonntags
morgens nur sporadisch fährt. Unser Ziel waren die Jugendstilhäuser in der
Stadt und das dazugehörige Museum. Schon
bald stellten wir fest, dass unser Wegweiser zu den wichtigsten Häusern
eigentlich überflüssig war, da es in den entsprechenden Vierteln fast überall
schöne Häuser gab, an denen sich der jeweilige Stand der Mode gut ablesen lies.
Im Museum wurde dann die
Nancyer Schule dieser Kunstrichtung dargestellt. Besonders spannend fand ich
auch die Serienfertigung der Häuser und Gegenstände wie Möbel oder
Haushaltswaren. So war es möglich, ansprechende – für meinen Geschmack manchmal
schon fast überladene – Fassaden so großräumig zu verbreiten.
Die Herzallerliebste
nutze die offenen Läden und ergänzte den Kleidungsbestand. Mir gab das
Gelegenheit zu lesen. Witzig fand ich, dass ich mehrfach auf meine Barfußschuhe
angesprochen wurde. Offensichtlich sind die ähnlich bekannt wie Liegeräder …
und führen zu einem ähnlichen Grinsen der Betrachtenden.
Am Abend bereitete ich
mich mit einer Pizza mit Münsterkäse kulinarisch auf die Fahrt Richtung
Straßburg vor… und auf das Zusammenpacken am späteren Abend, das ich so wenig
leiden kann, mit einem leckeren Pastis.
Bis nach Socourt sausten wir auf einem sehr guten Weg entlang der Mosel flussabwärts Richtung Nancy. Die Strecke wird von Freizeitsportlerinnen und -sportlern mit Rad, zu Fuß oder mit Inlinern genutzt. Nach diesen rund 40 Kilometern erwartete uns allerdings eine Hoppelpiste, die teilweise nur aus einer Wegspur im Gestrüpp bestand und kaum noch befahrbar war. Ich hüpfte mit dem Grasshopper von Schlagloch zu Schlagloch und meine Sorge war, dass ich die Kontrolle verliere und in den Kanal oder die Mosel falle. Das vor allem dann, wenn der Weg Richtung Kanal oder Richtung Mosel an manchen Stellen bereits abbröckelte und mehrere Meter Fallhöhe aufwiese. Auf der Höhe von Tonnoy zog die Herzallerliebste die Notbremse und wir wechselten auf die angrenzende Straße D 570, die vergleichsweise wenig befahren war. In Richardménil verließen wir das Tal der Mosel und kämpften uns einen kräftigen Anstieg hoch. Leider war der Abschnitt so nervig, dass ich noch nicht einmal ein Bild gemacht habe.
Nach kurzer Abfahrt
erreichten wir den Verbindungskanal nach Nancy, an dem wir auf einem gut
ausgebauten Weg zügig Richtung Nancy hinabrollten. Am Marne-Rhein-Kanal bogen
wir Richtung Nancy ab. Später wechselten wir an die Meurthe, ein Zufluss der
Mosel, und fuhren an ihr entlang in einem Bogen durch Nancy. Nach einer
abschließenden Bergetappe erreichten wir unsere Unterkunft.
Am Abend machten wir
einen Spaziergang in die schöne Innenstadt und kauften zwei Leinen-T-Shirts für
mich, die in der Hitze wesentlich angenehmer sind als Funktions-T-Shirts, die
die Feuchtigkeit vom Körper wegtransportieren.
In der Innenstadt
brauchten wir einen Moment um zu begreifen, warum die Straßen eher leer und
dafür die Kneipen und Restaurants umso voller waren. Frankreich spielte bei der
Fußball-WM der Männer. Nach dem Gewinn des französischen Teams herrschte eine
ausgelassene Stimmung in der Stadt. Während wir beim Abendessen saßen wurde ich
von zwei begeisterten Anhängerinnen des französischen Teams in den Arm genommen
und geküsst. Beim Weg zurück ins Quartier ließen wir uns Zeit, da die
Geräuschkulisse ein frühes Einschlafen unmöglich gemacht hätte.
Am nächsten Morgen wurden wir mit einem ausgiebigen „Continental“-Frühstück verwöhnt. Da die Entfernung nach
La-Rochére nur wenige Kilometer beträgt, beschlossen wir die ältestes
Glasfabrik Frankreichs, die seit 1475 besteht, zu besuchen. Wir kamen uns fast
vor wie im Schwarzwald, Tannenbäume, Hügel, Bäche und eine kleine Siedlung mit
Glashütte. Die liegt aus heutiger Sicht ziemlich ungünstig, da außer Wasser
alle anderen Grundstoffe dort hintransportiert werden müssen. Bei der Gründung
stand mit dem Wald die notwendige Energie zur Verfügung. Wir schauten zu, wie
Glas geblasen wird. Es ist immer wieder faszinierend. In einem Museum wird
moderne Glaskunst gezeigt. Das Gebäude ist in einen kleinen japanischen Garten
eingefügt und hat so einen ganz besonderen Charakter.
Interessant finde ich,
dass neben Produkten für den Haushalt auch Glasbausteine für den Bau
hergestellt werden. In der Verkaufsausstellung entschied ich mich für eine kleine
Glasschüssel … und durfte dann nicht mehr über die Likörgläser der
Herzallerliebsten lästern.
Von La-Rochére fuhren wir
zurück an den Kanal der Vogesen. Der zweigt in Corre von der Saône ab und führt
zur Mosel. Die erste Begegnung mit dem Kanal hatten wie an der Drehbrücke in
Selles, die auch heute noch per Hand bedient wird.
Im Höhenprofil lässt sich
gut nachvollziehen, wie wir schrittweise von Schleuse zu Schleuse mit dem Kanal
bis kurz hinter Girancourt aufgestiegen sind.
In Epinal erfolgt dagegen
ein schneller Abstieg, bei dem die Schleusen in dichter Folge liegen und
teilweise ineinander übergehen.
In Epinal erreichten wir
unser Hotel in der Nähe vom Bahnhof. Nach einer kurzen Dusche wollten wir
eigentlich nur noch kurz etwas essen gehen. Dabei kamen wir in ein USA Festival
Musik mit Straßenkreuzern und Trucks, Sqaredance und Cheerleading. Die ganze
Stadt hatte Spaß – und ich keinen Foto dabei… aber eine solche Atmosphäre
lässt sich mit ein paar Bildern sowieso nicht einfangen.
Nach einer angenehmen Nacht
und einem leckeren Bio-Frühtück wurden wir herzlich verabschiedet. Wir brachen
zu einer der längsten Etappe auf. In Ray-sur-Saône schauten
wir uns den alten Ortskern mit dem Waschhaus an. Weiter ging die Fahrt entlang
der Saône.
In Rupt-sur-Saône machten
wir einen kurzen Fotostop und folgten danach wieder der Saône.
Bei Ovanches kürzt der
Schifffahrtskanal eine Schleife der Saône ab und macht sie dadurch erst
schiffbar. Dies ist nur durch einen Tunnel möglich. Über den Hügel mussten wir
mit den Rädern fahren.
Der Weg führt in diesem
Bereich nur teilweise an der Saône entlang. Teilweise müssen kleine Sträßchen
genutzt werden, so dass der Eindruck von der hügeligen Landschaft deutlich
erfahrbar wird. In Scey-sur-Saône kauften wir ein, um für ein Picknick
ausgestattet zu sein. In Port-sur-Saône gönnten wir uns einen Kaffee und
stärkten uns für die nächste Bergpassage.
Auf ein Stück des engen
Saône-Tals verzichteten wir, um Passavant-la-Rochèr mit möglichst moderater
Steigung zu erreichen. Das war eine gute Idee, denn wir sind ziemlich müde in
Passavant-la-Rochèr angekommen… und die Unterkunft lag etliche Dutzend
Höhenmeter über der Ortsmitte, so dass wir noch einen letzten Aufstieg hatten.
Dafür wurden wir herzlich empfangen. Wir bezogen eine Haushälfte und die
Fahrräder durften wir durch den Hausflur in einen eigenen großen Lagerraum
bringen. Nach dem Duschen bekamen wir ein leckeres dreigängiges Abendessen und
genossen dann noch eine mitgebrachte Flasche Cidre. Ziemlich müde legten wir
uns ins Bett.
Entsprechend dem Namen der Unterkunft Maison Brocante („Haus Altwarenhändler“) war die gesamte Unterkunft mit meist sehr schönen alten Möbeln und Dekoration ausgestattet. Leider war ich zu müde, um ein paar Fotos zu machen. Die Verkaufsausstellung zeigte auch ihre Wirkung. Die Herzallerliebste war von vier – wirlich schönen – Likör-Gläsern völlig begeistert … und so hatten wir nach sehr kurzen Verkaufsverhandlungen ein etwas schwereres Gepäck und schöne Erinnerungsstücke an die Reise.