so ähnlich müssen wohl etliche Menschen in meinem Umfeld gedacht haben, als ich begeistert von meinen Urlaubsplänen erzählt habe: Mit einem Leihrad im hessischen Ried rumfahren. Das hessische Ried ist eine insbesondere in den 1930er Jahren urbar gemachte Auenlandschaft des Rhein, die sich vor allem durch eine intensive Landwirtschaft mit weitgehend ausgeräumter Landschaft und Straßendörfer auszeichnet.
Aber es gibt in Trebur mit Fahrrad Claus einen Fahrradhändler, der sich auf Spezialräder und (eher) hochwertige E-Bikes spezialisiert hat – soweit das im ländlichen Raum möglich ist. Und es war zu der Zeit der einzige Händler, bei dem ich einen Scorpion ausleihen konnte.
Warum sollte es ein Scorpion sein? Die Frage ist eigentlich durch die Beschreibung von Michael Kausch hinreichend beantwortet. Aber auch Tobias Haase und Maria Jeanne Dompierre beschreiben auf ihren Blogs eindrücklich, wie klasse das Fahren auf einem Scorpion ist.
Meine Erwartungen waren dementsprechend sehr hoch. Und sie wurden auch in weiten Bereichen erfüllt. Die Straßenlage des Scorpions ist klasse und die schnelle E-Unterstützung ist beeindruckend. Das ist kein Rückenwind, das ist mehr. Schon der Start in Trebur hat viel Spaß gemacht. Ich bin dann erst einmal zum Eingewöhnen über breite asphaltierte Wege gesaust – wenn ich jetzt schreiben würde, dass das Radwege gewesen wären, wäre das eine Ordnungswidrigkeit. Ich frage mich wirklich, warum die Regelung aufgehoben wurde, dass schnelle E-Bikes außerorts Radwege benutzen dürfen … und dazu sind auch alle land- und forstwirtschaftlichen Wege verboten, da eine E-Unterstützung mit mehr als 25 km/h das Fahrrad zu einem Kraftfahrzeug macht.
Überrascht und begeistert war ich davon, wie schnell ich in der Ebene ohne E-Unterstützung vorankomme. Da war schnell klar – entweder ein schnelles E-Bike … oder Keines. Denn es macht wenig Sinn, sein Rad doch etliche Kilogramm schwerer zu machen, um sich von 20 (oder mehr) auf 25 km/h schieben zu lassen.
Nach einigem probieren auf einfachen Strecken, habe ich mich dann an schwierigeres Terrain herangemacht… und bin freudig über Kopfsteinpflaster und ähnliche Beläge gerauscht. Es ist erstaunlich, was das Fahrwerk alles abfängt.
In der Stadt war die 45 km/h Unterstützung klasse. Da die Nutzung der Radwege einerseits verboten ist aber diese auch in weiten Teilen viel zu schmal sind, um darauf sicher mit einem Liegedreirad zu fahren, bin ich einfach gut sichtbar auf der Straße gefahren. Und die bösen Blicke mancher Automobilisten, nach dem Motto „warum bremst der mich denn da“ wichen regelmäßig offenen Mündern, wenn ich nach einer Rotphase durchstartete. Die Beschleunigung war auch für mich manchmal ein wenig überraschend …
Am Abend des ersten Tages kam ich dann ziemlich fertig heim. Vor lauter Begeisterung über den Scorpion und seine Fahreigenschaften habe ich leider viel zu wenig getrunken. Darauf führe ich zumindest die Kopfschmerzen zurück, die mich auf einmal plagten. Leider meldete sich aber auch mein Schleudertrauma zurück, dessen Ursache inzwischen 15 Jahre zurücklag. Das ich aber mit einem Sturz mit dem Birdy bei Blitzeis wieder aufgefrischt hatte.
Für den zweiten Tag habe mir dann vorgenommen, etwas kürzer zu treten … das habe ich dann auch gemacht, denn ich musste den Scorpion ja auch im guten Zustand zurückgeben. Ich hatte mir vorgenommen, doch noch die Geländetauglichkeit ein wenig zu testen. Einige Sträßchen rund um Darmstadt sind in so einem schlechten Zustand, dass ein einfacher Waldweg vermutlich eine geringere Anforderung an die Federung gestellt hätte.
Kurz vor Trebur habe ich dann noch eine kleine Putzpause gemacht und an diesem Tag auch viel getrunken. Es war dann schon eine ziemlich wehmütige Heimfahrt mit dem Birdy.
Drei Gedanken trieben mich um:
- soll es tatsächlich ein Liegedreirad werden
- soll es eine E-Unterstützung geben
- sollte ich nicht doch lieber das Ostrad wieder aufpolieren.
Mit diesen Gedanken ging ich dann zwei Wochen Wandern … um ab und an von Liegerädern zu träumen.